„Meine ewige Suche nach einer vernünftigen 35mm Brennweite hat endlich ein Ende, heureka!“
– Ich, 9. April 2016
So kann man sich täuschen. Zwischenzeitlich hatte ich nach dem Voigtländer Ultron 35mm 1.7 (dem ich wegen manuellem Fokus und der Wölbung der Schärfenebene nur eine sehr solide 8 von 10 geben konnte) auch das wirklich feine Sony Zeiss 35mm 1.4 Objektiv. Es ist eindeutig größer als das Voigtländer – hat aber den Luxus eines Autofokus-Motors, Blende 1.4 und feinem, plastischem Look. However…
Zeitsprung ins Jetzt:
Als Samyang (oder Walimex oder Rokinon – wie viele Namen kann eine Firma eigentlich haben?) dann im Oktober 2017 angekündigt hat, ein 35mm F1.4 Objektiv raus zubringen, wurde ich hellhörig (geradezu spitz wie Nachbars Lumpi würde ich fast behaupten).
Das Objektiv habe ich günstig aus Slowenien für 525€ vorbestellt, der Shop war auch einer der Ersten und vor allem am Günstigsten (bei Amazon konnte man es damals für über 620€ vorbestellen).
Das Sony Zeiss habe ich zeitgleich um fast das Doppelte des Preises vom Samyang verkauft – blieb nur zu hoffen, dass ich mit dem Ding auch zufrieden bin.
Kurz bevor es dann geliefert wurde, habe ich als Technik-verliebter Perfektionist natürlich die ersten Reviews im Internet studiert, die allesamt sehr gut ausgefallen sind.
Es gab (und gibt) allerdings auch vereinzelte Meldungen bezüglich deutlicher Farbsäume – vor allem im Unschärfebereich. Mir wären die allerdings bisher noch nicht störend aufgefallen und schlimmer als beim Canon 35mm 1.4 L V1 kanns eigentlich nicht sein.
Alle Bilder in diesem Blogbeitrag sind bezüglich Objektivkorrektur in Lightroom unangetastet wie eine Vorschulklasse Mormonen. So kann sich jede/r selbst ein Bild vom etwaigen Objektivfehlern machen.
Die sonstige Bearbeitung würde ich „den klassischen Landschaftler“ nennen:
Tiefen hoch, Höhen runter, ein bisserl Dynamik dazu, ein klein wenig Klarheit, eventuell ein Schuss Kontrast, alles keine Zauberei und in 15 Sekunden erledigt.
Wie ich mittlerweile mitbekommen habe, scheint das Problem mit den ausgeprägten Farbsäumen stark abhängig vom Exemplar zu sein, was nicht gerade nach guter Qualitätskontrolle bei Samyang schreit. Allerdings gibt es auch nette 5 Jahre Garantie auf das Objektiv (vom Importeur „Foto Walser“). Feine Sache.
Bevor es ums Optische geht noch ein paar Worte zum Autofokus:
An meiner fantastisch flotten und zuverlässigen Sony A7iii hatte ich nie Probleme, doch weder die A7s noch die Sony A7rii sind im direkten Vergleich zur A7iii als „sportlich“ zu bezeichnen wenn es um das Fokussieren geht.
Dazu eine kleine Statistik, viel näher gehe ich auf den AF der Linse nicht ein:
Von den 970 Fotos, die ich während meiner letzten Hochzeit mit dem Objektiv geschossen habe, sind nur etwa 5 bis 10 Stück wegen falschem Fokus „für die Fisch“ (hochdeutsch: für den Papierkorb). Auch hier würde ich den Fehler aber eher hinter der Kamera oder an der Kamera selbst suchen.
Was ich damit sagen will: Das Objektiv tut genau das, was die Kamera ihm sagt. Wenn die Kamera dem Objektiv sagt: „Yo, Objektiv! Fokussier mal auf unendlich, aber zackig!“ dann tut es das, und zwar zackig. Ob ich das so wollte oder nicht entscheidet die Kamera.
Übrigens ist es nicht ganz stumm – beim Fokussieren „klackert“ es ganz leise, das könnte beim Filmen unter Umständen zu hören sein.
Genug Theorie – für die Bewunderer einzelner Pixel habe ich hier zu allererst ein Foto aus der freien Wildbahn samt 100% Ansicht aus Lightroom und darunter einige Beispielbilder aus dem Alltag zusammengetragen. Alle Fotos hier sind mit der Sony A7s, A7iii (wuhu) oder A7rII entstanden – steht im Bildtitel.
Zuerst mal das Bild in normaler Größe – zu Orientierung.
100% Ansichten aus Lightoom bei F1.4 und F2.8:
Ich sags ganz ehrlich: Ich habe absolut keine Bedenken, das Objektiv bei Blende 1.4 zu verwenden. Bokeh sieht man bei diesem Beispiel zwar keines, aber die gute Schärfe in den Ecken (und die durchaus vorhandene Randabschattung bei großer Blende) sieht man deutlich. In Richtung Mitte wird’s dann so richtig knackig, selbst bei Offenblende.
Ich als Bokeh-Fanboy wüsste zwar nicht, warum man das tun sollte – aber ich versuche hier, halbwegs passable „Realwelt-Erfahrungen“ (ob E-Sports Spieler so ihre Spielpausen nennen?) zu liefern – darum folgt: Blende 8 (wenn die Sonne lacht. Oder so).
Das waren: Die Pixelpeeper-tauglichen Bilder.
Es folgen: Durcheinandergewürfelte Beispielfotos samt Kritik des Fotografen.
Primär habe ich das Objektiv für meine Hochzeitsreportagen angeschafft, oder – wenn mich das Gewicht bei kurzen Ausflügen nicht stört – als Immerdrauf-Objektiv. Man kann sich mit dieser Brennweite einfach in so vielen Gebieten austoben – Portraits, Gruppenfotos, Freihand-Nachtaufnahmen, Detailaufnahmen bei der Hochzeitstafel – ich komme schon wieder ins Schwärmen…
Ich muss allerdings auch gestehen: Für längere Urlaube packe ich mittlerweile lieber mein super-handliches Sony 28mm F2 ein.
Die Paradedisziplin des Athleten – Halb/Ganzkörperportraits samt creamy Hintergrund:
Eine weitere wichtige, nicht zu unterschätzende Disziplin jeder/s Fotografen/in: Katzenfotos <3
Das Bokeh ist bei elektronischem ersten Verschluss (e-Front Curtain Shutter) recht unruhig, was allerdings an der Kamera/Technologie liegt, nicht am Objektiv selbst – Gegenüberstellungen mit Beispielfotos dazu findet man am Ende des Reviews angehängt.
Fotografiert man mit dem „lautlosen“ oder „vollmenchanischen Verschluss“ sieht es allerdings meiner Meinung nach vergleichbar mit dem Sony Zeiss 35mm 1.4 und somit für die Brennweite sehr gut und aus – aber das ist natürlich Geschmackssache.
Für Aufnahmen wie dies folgenden, also während greller Nachmittagssonne, muss ich übrigens (um nicht Abblenden zu müssen) mit Pol- oder Graufilter auf dem Objektiv arbeiten.
Es sind nur mit solch einem lichtstarken, weitwinkeligem Objektiv Aufnahmen wie die folgende möglich. Die Plastizität in manchen Fotos begeistert mich immer wieder.
Natürlich kommt einem bei Dämmerung, Konzerten oder Nachtaufnahmen die große Blende zu Hilfe.
Auch Blendensterne sind selbst mit F5 schon drin – sofern die Lichtquelle klein & stark genug ist.
Da ich tagsüber oft mit Polfilter unterwegs bin, habe ich so gut wie nie die (mitgelieferte) Gegenlichtblende auf dem Objektiv. Das führt manchmal zu Flares wie diesem hier. Sowas ist mir in den paar Monaten, in denen ich die Linse jetzt verwende, das eine oder andere Mal ins Auge gestochen – generell bleibt aber zu sagen: Es muss schon ein blöder Zufall und/oder Winkel sein, um solch heftige Flares (ohne Gegenlichtblende!) zu produzieren. Manchmal wird das Bild bzw. werden die Farben etwas „flauer“ – aber ein Schritt nach links oder rechts verbessert die Situation schon enorm.
Ich fasse zusammen:
– Bei Blende 1.4 problemlos zu verwenden
– Bei Blende 2.8 auch in den äußersten Ecken fantastisch
– Bokeh im „großzügigen Portraitabstand“ meiner Meinung nach gut bis sehr gut, allerdings manchmal etwas unruhig – aber eigentlich wie immer: Geschmackssache.
– kaum wahrnehmbare Farbsäume (Vorsicht: Ist anscheinend nicht bei jedem Exemplar so)
– solide Verarbeitung wie ein Panzer
– Autofokus treffsicher und sehr flott, hier ist die Kamera der ausschlaggebende Punkt
– ich würde das Samyang von der Leisung und den optischen Eigenschaften her gleichauf mit dem mehr als doppelt so teurem Sony Zeiss 35mm F1.4 einschätzen
Noch was:
Mancheine/r überlegt vielleicht, sich das Sigma 35mm 1.4 Art für seine Sony Vollformatkamera zuzulegen. Netterweise konnte ich das Samyang gegen das Sigma (mit MC-11 Adapter an einer Sony A7iii) antreten lassen, Beispielfotos sind in dieser Zip-Datei zu finden.
Mein Resumé nach diesem hoch-wissenschaftlichen Vergleich im Reinraum (fast):
– Das Samyang hat anscheinend etwas mehr Platz/Weitwinkel, liegt vermutlich am adaptierten Sigma Objektiv (oder so..). Profilkorrekturen sind immer deaktiviert gewesen.
– Prinzipiell ist das Sigma dem Samyang gerade in den Ecken immer etwas überlegen, das Samyang wirkt bei 1.4 gesamt etwas schärfer finde ich – aber das ist ab F2 schon wieder gleichwertig.
– Die „Strahlen“ bei der Handytaschenlampe sehen beim Sigma besser, irgendwie definierter aus finde ich (Fotos nicht im Anhang)
– Bokeh ist wie immer Geschmackssache
Noch was 2:
Hier ein paar Vergleichsofots zum Thema „Bokehqualität mit halbelektronischem Verschluss und schnellen Verschlusszeiten„.
Dazu muss man aber sagen, dass das nichts mit dem Objektiv zu tun hat sondern einfach ein technischer Nachteil dieser Technologie ist. Ich werde mir auf alle Fälle angewöhnen, entweder vollkommen lautlos oder mit „normalem“ Verschluss, also voll-mechanisch, zu Fotografieren. (Update nach einigen Woche: Wenn man sich daran hält ist das Bokeh durchaus sehr gefällig!)
Auf den Vergleichsbildern ist gut zu sehen, dass Bokehbälle abgeschnitten werden, selbst bei 1/4000s ist noch ein Unterschied zu sehen – das Bokeh wirkt so viel unruhiger. Erst ab Belichtungszeiten länger als 1/1600s würde und werde ich bedenkenlos den halb-elektronischen Verschluss verwenden.