Drei Jahre sind vergangen seit meinem letzten Review, damals ging’s um das Samyang 35mm 1.4 AF für Sony FE, das ich immer noch besitze und bei „professionelleren“ Shootings und Hochzeiten regelrecht an der Kamera festgegaffert habe. Preis/Leistung ist immer noch fantastisch, aber ich schweife ab…
Zuerst Mal sei gesagt: Nisi Österreich hat mir das Objektiv freundlicherweise ein paar Tage zum Testen geborgt. Die Zeit war leider etwas eingeschränkt, doch im Sommer werde ich eventuell mehr „Quality Time“ mit der Linse verbringen können, dieses Review hier werde ich dann natürlich updaten.
Anwendungsgebiete und Merkmale
- 470 Gramm
- Metallgehäuse
- 72mm Filtergewinde
- Manueller Fokus
- Blende: F4 – F22
Eingesessene FotografInnen werden sich nun Fragen:
„Gibt’s nicht schon genug manuelle Ultraweitwinkel am Markt?“
Ich gestehe: Als Besitzer des sehr guten Laowa 15mm F2 Objektivs hatte ich ebenso Bedenken. Konkurrenz im Ultraweitwinkelbereich gibt es zu genüge, wie möchte sich Nisi also einen Platz auf dem Podest erkämpfen?
Kurz gesagt:
Mit den tollsten Sonnensternen, und das schon bei Offenblende!
Eine für mich weitere wichtige Eigenschaft ist die Möglichkeit, Filter verwenden zu können. Und gerade im Ultraweitwinkelbereich ist das nicht immer der Fall.
Die Verarbeitung des 15mm F4 kann sich durchaus sehen lassen. Ich kenne einige manuelle Objektive, vor allem ältere von Minolta MC/MD, Canon FD und eben auch das moderne Laowa 15mm, und habe diese regelmäßig mit Sony A7iii Kameras in Verwendung.
Ich traue mich zu behaupten, dass das Nisi ebenbürtig – eher sogar besser verarbeitet ist, als meine gerade genannten „manuellen Vergleichslinsen“.
Es fühlt sich hochwertig an, alles ist aus Metall gefertigt und der Ring zum Verstellen der Blende gibt perfektes Feedback beim Einrasten der gewünschten Linsenöffnung.
Der Fokusring läuft mir eventuell etwas zu leichtgängig, aber das ist Jammern auf sehr hohem Niveau. Wenn ich den im Vergleich recht schwergängigen Ring des Laowa nicht kennen würde, wäre mir das höchstwahrscheindlich gar nicht aufgefallen. Die „Dämpfung“ des MF-Ringes ist fein, kleinste Korrekturen der Schärfeebene sind problemlos möglich.
Pixelpeeping
Wer meine anderen Reviews kennt, weiß, dass ich weit entfernt von sterilen Reinräumen und wissenschaftlichen Messungen teste. „It’s not rocket science.“
Ich fotografiere, vergleiche und entscheide dann, was ich von dem Objektiv halte.
Um etwas aus der Masse an Tests über die Linse herauszustechen werde ich recht viel mit dem Laowa 15mm F2, mein „Nachtsicht-Immerdrauf-Objektiv“, vergleichen. Das Laowa habe ich zu 95% nach Sonnenuntergang auf der Kamera, aber ich habe durch diesen Vergleich rausgefunden, dass die Linse auch tagsüber funktioniert 🙂
Hier noch die Einstellungen, die ich in Lightroom nach dem Import über die Bilder gelegt habe. Objektivkorrekturen waren deaktiviert, habe auch nichts händisch eingestellt.
Fangen wir also mal mit der – meiner Meinung nach – am meisten überschätzten aller Eigenschaften eines Optik an:
Schärfe / Kontrast / Farben / Vignette
Warum ich die Schärfe eines Objektives nur bedingt wichtig finde? Photoshop, kennt ihr? Nachschärfen, fertig.
Anders natürlich mit der Randschärfe – hier habe ich einige Vergleichsfotos in petto, aber zuerst mal die Schärfe in der Bildmitte:
Was mir sofort aufgefallen ist:
Entweder hat das Laowa etwas weniger als 15mm Brennweite oder das Nisi hat ein bisserl mehr. Auf alle Fälle ist das Nisi etwas weitwinkeliger.
Die Schärfe ist fast gleichauf. Man muss allerdings dazu sagen, dass das Laowa bei Blende 2 beginnt und somit etwas „Vorsprung“ hat, in Anbetracht dessen, dass Objektive abgeblendet meist an Schärfe gewinnen.
Weiters kann ich sagen, dass der Kontrast und die Farbwiedergabe ebenso bereits bei F4 da ist, wo sie hingehören, nämlich auf sehr hohem Niveau.
Etwas negativ ist mir aufgefallen, dass die Vignette zwar durch das Abblenden weniger wird, aber selbst bei ganz geschlossener Blende (F22) noch vorhanden ist.
Blenden wir also etwas ab:
Ich fasse zusammen:
Die Schärfe bei F4 in der Bildmitte ist sehr gut, in den Bildecken ebenfalls gut. Panisches Abblenden ist also der Schärfe wegen meiner Meinung nach nicht nötig. Bei F11 sieht es ähnlich aus.
Das Nisi 15mm F4 ist also bereits bei Offenblende bis zum Rand sehr gut unterwegs, hat seinen „Peak“ bei etwa F8 bis F11, ist aber auch ganz geschlossen selbst bei F22 noch gut verwendbar, wenn auch etwas weniger knackig durch die allseits gefürchtete Beugungsunschärfe. Da schneidet das Laowa etwas besser ab.
Dazu nochmal meine bescheidene Meinung zum Thema Schärfe und Abblenden:
Ich verwende die Blende, die ich brauche und nicht die, die das schärfste Bild gibt.
Ich habe noch bei keinem einzigen meiner Fotos mehrere Aufnahmen mit unterschiedlichen Fokuspunkten in Photoshop zusammengerechnet und – welch Wunder – es hat sich bisher auch noch niemand über fehlende Schärfe beschwert. Ich bin „oldschool“ – ich bin lieber draußen als vorm PC 🙂
Kommen wir nun zum Highlight und Alleinstellungsmerkmal des Nisi 15mm F4:
Blendensterne
Bereits bei Offenblende zaubert das Nisi schon perfekte Strahlen um grelle Lichtpunkte – selbst außerhalb der Schärfeebene – während das Laowa gerade mal anfängt, so etwas wie Blendensterne zu zeigen.
Erst ab F11 holt das Laowa etwas auf während der „Stern“ beim Nisi nur noch schöner und definierter wird. Selbst ganz abgeblendet gefällt mir der Nisi-Stern besser.
Wie man sieht, ist das Nisi etwas anfälliger für Flares, gerade stark abgeblendet sollte man diese fairerweise erwähnen. Das folgende Negativbeispiel ist aber definitiv nur mit viel „Biegen und Brechen“ zu schaffen. Wieviel die Gegenlichtblende solch eine Situation entschärft, kann ich mangels solcher leider nicht sagen.
Naheinstellgrenze
Nicht, dass ein Ultraweitwinkel oft als Makroobjektiv verwendet werden würde, aber gerade für Detailfotos der Ringe oder Hochzeitstorten gehe ich selbst mit meinem Weitwinkel manchmal recht nah ran. Hier ist das Laowa dank seiner geringen Naheinstellgrenze von nur 15cm der Gewinner.
Interessante Erkenntnis am Rande: Das Nisi hat mit 20cm zumindest in der Theorie keinen großen Nachteil, in der Praxis jedoch merkt man die 5cm natürlich sofort. (that’s what she said)
Farbsäume / Purple Fringing
Selbst bei F4 kann man am Bildrand kaum Farbfehler erkennen, die – falls doch entdeckt – entweder mit einem schnellen Klick in Lightroom- oder aber mittels Abblenden schnell los wird.
Was mir gefällt:
– edle Verarbeitung aus Metall
– Blendenring mit tollem, haptischem Feedback
– Scharf bereits ab Offenblende
– wunderschöne Blendensterne schon bei Offenblende und im Unschärfebereich
– für ein Weitwinkel ansprechendes Bokeh
– günstiger Preis von 479€ bei Nisi Optics Österreich (das Laowa 15mm F2 kostet bei Veröffentlichung dieses Reviews über 900€ in Österreich)
Was mir nicht so gefällt:
– Flares gegen die Sonne, vor allem abgeblendet
– Vignette, die selbst abgeblendet erst sehr spät verschwindet
Persönliches Resümee:
Als zufriedener Besitzer des Laowa 15mm F2 werde ich mir das Nisi nicht zulegen, trotz der weit schöneren Blendensterne. Weiters besitze ich bereits das Tamron 17-28mm F2.8 als „Tagsüber Weitwinkel“ – drei Weitwinkelobjektive sind etwas zu viel für meinen Rucksack.
All diejenigen, die auf der Suche nach einem guten Weitwinkel mit Alleinstellungsmerkmal sind, können getrost zugreifen und werden mit dem Nisi glücklich, da bin ich mir sicher!
Es folgen zu guter Letzt:
Aufnahmen aus dem Alltag eines Grazers 🙂