Tag 8 / Teil 2:
Nochmals zur Erinnerung: Unterstrichene Wörter sind Links zu eventuell lustigen bis bestenfalls interessanten Handyfotos, bitte bei Interesse draufklicken!
Weiter gehts:
Ein fünftes und letztes Mal müssen wir noch die Straße, liebevoll „Schlachthaus“ oder einfach nur „Straße der tausend Tode“ genannt, entlang – wieder raus aus den rehverseuchten Gegenden östlich des Zion Nationalparks auf direktem Weg zum Bryce Canyon. Obwohl – nicht ganz direkt. Wir wollen noch einen Wasserfall besuchen, der eher eklig aussieht als schön, aber irgendwie gefällt mir die Szenerie. Die trockene, nicht wirklich einladende Landschaft macht den Wasserfall darin etwas unwirklich.
Wir kämpfen mit dem Bildaufbau und der steilen Wand des Flussbettes, die wir hochkraxeln müssen, und gehen etwas unzufrieden den Bach entlang – auf der Suche nach einer Art moosbeschichteten Höhle. Etwa 30 Minuten später hinterfragen wir meine Notizen und drehen um. Davor ist mir so heiß in meiner Skiunterwäsche, dass ich einen erstklassigen Lange-Unterhose-Striptease hinlege, den bis auf Timo leider oder glücklicherweise niemand mitbekommt.
Die gesuchte Höhle liegt übrigens direkt neben dem Wasserfall und sieht so uninteressant aus, dass ich nichtmal ein Handyfoto davon mache.
Punkt 15 Uhr checken wir im Best Western Ruby’s Inn auf einem recht großen Areal samt Selbstbedienungswäscherei und einem Fastfood Restaurants ein.
Zum Sonnenuntergang gehen wir am Rand des Bryce Canyon spazieren und sind begeistert, wie wenig man sich hier für ein gutes Foto bewegen muss. Parken, aussteigen, fünf Minuten gehen, Foto machen – ein Traum für uns sportliche Jungs.
Tag 9:
Wir waren gestern Abend am Sunset Point, natürlich sind wir heute Morgen am Sunrise Point. Im Nachhinein betrachtet (und als Info für Leser, die den Bryce Canyon noch nicht kennen) würde ich es beim nächsten Mal genau umgekehrt machen. Zumindest in den Herbst- und Wintermonaten, da dann die Sonne bekanntlich etwas weniger westlich auf- und dementsprechend weniger östlich untergeht.
So stehen wir 40 Minuten vor Sonnenaufgang fast alleine am Aussichtspunkt, frieren im Wind und warten auf ein hoffentlich episches Feuerwerk in den Wolken. Pünktlich, kurz bevor die Sonne auf den Horizont trifft, kommen sie: Unmengen von Touristen aus aller Frauen Länder, die mit ihren Gopros und iPads vor meiner Kamera rumfuchteln. Im Fall meines ganz speziellen, amerikanischen Freundes weiß ich nicht, ob er meine hasserfüllten Blicke ignoriert oder es einfach nur pure Dummheit ist…
Nachdem ich den als Verlängerung seines Armes fungierenden „Selfie Stick“ (mit GoPro) auch auf meinem dritten Bild sehe, frage ich mich, ob es in Guantanamo eigentlich auch fotogene Landschaften gibt. Kurz darauf packt er seine Gorpo wieder ein, meine Laune steigt und der Blutdruck sinkt wieder.
Ein ähnliches Bild wie dieses hängt mittlerweile sogar über der Wohnzimmercouch eines Users des Amerika Forums, das ich jedem/r Hilfe- und Tippssuchenden nur empfehlen kann.
Hier noch einige Detailfotos aus dem Canyon, alle an diesem Morgen entstanden:
Es wird Zeit, zumindest die Wendeunterwäsche zu waschen – so vertrödeln wir etwas Zeit im Waschsalon des Hotels und ich lade beim Warten auf die trockene Wäsche die ersten Fotos auf meinen Instagram Account.
Wir checken aus dem Hotel aus, essen eine Kleinigkeit bei Subway und sind schnurstracks auf dem Weg nach Moab. Canyons und Steinbögen erwarten uns dort – ich muss das Steuer übernehmen, Timo’s Männergrippe fordert Tribut: Er benötigt ein Taschentuch.
Fast viereinhalb Stunden und etliche, kilometerlange Geraden später, erreichen wir Moab. Die Stadt ist so groß, dass Sie sogar eine Hauptstraße mit Ampeln zu bieten hat. Eine Metropole mitten in Steppenlandschaft und Felsen. Der gewiefte Leser weiß, was nun folgt: Essen!
Wir werden Opfer unserer Unerfahrenheit und kehren bei „Wendy’s“ ein. In Europa das Idol pferdeverrückter, vorpupertierender Mädchen – in den USA eine Fastfood Kette. Mein Bohnen/Gemüsepatty Burger ist okay, die Pommes sind eher unterer Durchschnitt. Es bleibt der einzige Besuch. Taco Bell ist halt nur durch mehr Taco Bell (oder Pizza) zu ersetzen.
Zum Sonnenuntergang stehen wir am Green River Overlook und sind regelrecht Erschlagen von der Weite der Landschaft, hier im Canyonlands Nationalpark. Dagegen ist der Grand Canyon (wie sich später herausstellt) leider Kindergarten. Ich trenne mich von Timo und gehe etwas an der Kante entlang, bis ich einen passenden Punkt samt Busch für den Vordergrund und Blick auf den Green River finde. Ich bin selten emotional, aber hier kann ich mich nicht zurückhalten: Der böige Wind pfeift mir entgegen, meine Höhenangst brüllt mir ins Gewissen, die tiefstehende Sonne wärmt mein edles Antlitz. Mehr als einen knappen halben Meter traue ich mich nicht an die Felskante, meine weichen Knie zwingen mich zum Feigsein. Gut so.
400 Meter unter mir erkenne ich – dünn wie ein Seidenfaden – einen Schotterweg entlang des Green River-Canyons. Will man den kompletten Weg, die White Rim Road, entlangfahren, braucht man laut Wikipedia 2 bis 3 Tage und eine Genehmigung des Nationalparks. Leider ist es so gut wie unmöglich, die Stimmung in ein Foto zu packen – ich versuche es trotzdem:
Trotz Höhenangst bin ich überraschenderweise tiefenentspannt, so alleine war ich an keinem anderen Zeitpunkt der Reise. Nichts gegen den lieben Timo, aber manchmal wird man sich seiner Umgebung am besten bewusst, wenn man sie alleine genießt. Wahnsinns Moment…
Zurück am offiziellen Aussichtspunkt mache ich ein Panorama, das am besten in hoher Auflösung zur Geltung kommt, während Timo noch belichtet. Darauf erkennt man auch Details der White Rim Road.
Well done, Tag 9 – und in die Schlucht ist auch niemand gefallen.
Tag 10:
Timo hat noch mehr Männergrippe als gestern und wir beschließen auszuschlafen. Wir haben jeweils einen Gutschein für das benachbarte Waffelhaus (nicht Waffenhaus) bekommen und essen wie so oft mehr, als wir eigentlich sollten. Als „Fixpunkt“ haben wir für heute Abend den Delicate Arch eingeplant, dem „perfekten Schwiegersohn“ unter all den Steinbögen. Bis dahin haben wir allerdings kein Ziel vor Augen und fahren kreuz und quer durch den Arches Natonalpark. Ich bin mir ja leider nicht so sicher, ob ich Bögen aus Stein wirklich spannend finde, aber wenn wir schon mal hier sind…
Der Park ist extrem überlaufen, beim Double Arch suchen wir sogar einige Minuten lang einen Parkplatz.
Wir sind beide etwas angeschlagen und müde und entscheiden uns für ein Nickerchen im Hotel.
Drei Stunden später und noch müder als zuvor kommen wir am Parkplatz des Delicate Arch Wanderweges an. Literweise Gatorade, Wasser, Sonnencreme, sogar Obst haben wir dabei – wir sind ausgerüstet, als müssten wir drei Tage durch die Wüste laufen und fühlen uns immer noch eingeschüchtert von der verhältnismäßig langen Wanderung.
„Verhältnismäßig“ bedeutet „für unsere Verhältnisse“, „lange Wanderung“ bedeutet in diesem speziellen Fall etwa 45 Minuten Gehzeit, allerdings zum Teil durch Sand, manchmal auch auf blankem Fels – meist jedoch bergauf. Timos Raucherlunge raschelt wie ein Rudel Klapperschlangen, ich frage mich mittlerweile, ob ich die 911 als Kurzwahl speichern sollte. Eine knappe Stunde Gehzeit und wir stehen verschwitzt aber glücklich am Eingang des „Areals“ um den Steinbogen. In den Alpen wäre die „Wanderung“ maximal ein Gang zum Wirtshaus.
Ich gestehe: Ich fand den Delicate Arch auf Fotos und bei der Recherche nie sonderlich erwähnenswert – habe mich immer gefragt, warum der Felsen so bekannt ist. Vor Ort sieht das natürlich ganz anders aus – das Ding hat schon was. Leider tue ich mir schwer damit, überhaupt Halt auf dem „Abhang“ zu finden – je besser mir der Bildausschnitt auf meinem Display gefällt, um so mehr habe ich Angst, die immer steiler werdenden Felsen runter zu rutschen oder zumindest mein Stativ samt Kamera zu opfern. Während wir also auf das passende Licht warten und Jausnen, plaudern wir mit amerikanischen Fotografen und genießen die angenehm warme Luft.
Zumindest einige Minuten – denn die gerade noch entspannte Stimmung und das gemütliches Geschwätz wird von einer Busladung Asiaten (sorry for racism) überwälzt. Diese hüllen die gesamte Szenerie mit ihrem Geschreie ein, an Fotos vom Arch ist gerade nicht zu denken, der wird umzingelt und für die hundertste Selfie-Pose belagert. Unfassbar, wie wenig Respekt man vor der Natur oder denjenigen, die sie hier in Ruhe genießen wollen, haben kann.
Je länger ich dem Spektakel zuschaue, umso weniger gefällt mir meine eigene Fotoposition. Ich wandere also kurz vor knapp nochmal ein paar Meter weiter und finde einen Spot, die etwas mehr „Drama“ hat, als die platte Seitenansicht, die man schon hundert Mal gesehen hat. Ich verstehe bis heute nicht, warum ich an dem Abend der einzige Fotograf war, der zu diesem Zeitpunkt in Richtung des epischen Sonnenunterganges fotografiert hat – freue mich aber über eine eventuell nicht ganz so todfotografierte Ansicht des Delicate Arches:
So sah es übrigens wenige Minuten nachdem das Bild entstanden aus. Die Occupy Arch Bewegung ist wieder im Einsatz:
Es ist schon recht spät, wir haben Hunger und wollen eigentlich bald mal ins Bett, immerhin werden wir morgen den Sonnenaufgang samt Mesa Arch fotografieren, so die Wettergöttin uns wohlgesinnt ist.
Am Rückweg fahren wir beim Balanced Rock vorbei. Ich kann nicht anders und packe spontan nochmal meine Nachtausrüstung aus dem Rucksack. Leider ist es etwas bewölkt, die Milchstraße wird zu einem späteren Zeitpunkt der Reise definitiv mehr Platz zur Entfaltung bekommen, als auf diesem Bild:
Abends gibt’s dann noch zur Belohnung einen Ceasar Salad für mich und „irgendwas mit Nudeln“ für Timo.
Tag 11:
Tagwache um 5:30 Uhr – in Anbetracht der Uhrzeit kann meinen Brechreiz nur mit viel Geschick überwinden, bin mordsmüde und möchte wieder ins Bett. Aber da muss man durch – meistens wird man mit einem feinen Foto, in diesem Fall vom Mesa Arch, belohnt.
Etwa eine Stunde später sind wir die Ersten vor Ort, frieren uns den Arch ab (hihi) und warten in Poleposition auf die Sonne. Nur ein Typ lag im Schlafsack und wollte einen ruhigen Sonnenaufgang genießen. Als diese sich dann tatsächlich blicken lässt, warten bereits um die 10 Fotografen an der Felskante, allesamt entspannt aber merklich wortkarg und ebenso müde wie wir.
Kurz, nachdem das Spektakel vorbei ist, kommen dann Unmengen an Tagestouristen zum Mesa Arch. Tja – 10 Minuten zu spät.
Zurück im Hotel beschließe ich, mich noch zwei Stunden auf’s Ohr zu hauen während Timo mal wieder zu viel isst (zirka 5 Eier, Toast, Wurst, Schinken, insgesamt etwa 3000 kcal laut eigener Aussage).
Nächster Stopp: Monument Valley.
Timo geht beim Anblick der Felstürme einer ab, ich finde die Dinger ein bisschen langweilig. Fotografisch gesehen kann man damit wenig anstellen, ein Bild unter Tausenden (pro Tag). Außerdem kommt mir das ganze hier alles vor, wie pure, lieblose Geldmacherei. Das relativ neue Hotel mit direktem Blick auf das Monument Valley sieht aus, als hätte man Pappkartonwände hingestellt und schnell mal angestrichen. Selbst der riesige Schriftzug des „The View“, wie sich das Hotel nennt, ist eigentlich fake. Die Buchstaben sind mit künstllichem Schatten auf eine Wand gemalt, als wäre einem das Geld für einen echten Schriftzug ausgegangen. Das Restaurant kann ab 19 Uhr nur noch als Hotelgast betreten werden und der Parkplatz bzw. Eintritt ins Gebiet kostet 20$.
Die Sonne geht unter, die drei Felstürme des Valley hebe ich mir für morgen Früh auf. Ich laufe etwas auf dem Hotelparkplatz spazieren und mache ein spontanes Panorama in Richtung Sonnenuntergang, um zumindest irgendein Foto mit zu nehmen.
Hier noch eine Weitwinkelaufnahme, die ich ganz nett finde – der Übersicht wegen.
Meine einzige „Startrails“ Aufnahme des Trips. Inklusive Flugzeugen und Ufos, die soll es im Südwesten der USA ja geben.
Im Laufe des Abends ruft mich unser Guide für morgen geplante Tour zum „White Pocket“ Gebiet an und sagt diese leider ab – einer der Allradjeeps ist kaputt, somit fällt die Nachmittags/Abend-Tour aus da der verbleibende Jeep schon am Vormittag los fährt. Touristen… ich verstehe Sie nicht. „Jaja, wir sehen uns diese krass bunten Felsen und Steine lieber bei grellster Mittagssonne und 35 Grad im Schatten (ohne Schatten vor Ort) an, anstatt bei perfektem Licht und Sonnenuntergang“ said no Photographer ever. Aber 90% der USA-Urlauber. Ich suche einen Alternative für morgen, das lahme WLAN des Internet pfeift aus allen Löchern. Edmaiers Secret soll es werden, eine Gegend, von der ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nie gehört oder gelesen habe. Etwa eine Stunde Fußweg entlang eines hoffentlich trockenen Flussbettes und exotische Steinformationen erwarten uns morgen – wir sind gespannt.
Tag 12:
Der Wecker läutet erneut unmenschlich früh, Timo möchte unbedingt den Sonnenaufgang im Monument Valley fotografieren. Also kurz hübsch gemacht (dauert ja nicht lange) und schon sitzen wir wieder in unserer fahrenden Mülltonne. Der Sonnenaufgang ist leider wolkenlos, die Szenerie ist zwar fotogen, aber man ist fotografisch gesehen so eingeschränkt, dass es fast schon weh tut. Aber immerhin sparen wir uns die 20€ Parkplatzgebühr – um diese Uhrzeit schlafen die Navajos anscheinend noch.
Nach einigen Stunden im Auto tuckern wir am Nachmittag die House Rock Valley-Road in Richtung Süden entlang, zum Startpunkt der Wanderung zu Edmaiers Secret. Die Straße ist per se nichts Besonderes, für mich persönlich aber ist es ein ganz fantastischer Moment. Ich habe den Namen dieser Schotterstraße schon zig Male gelesen, in Reiseführern und bei Recherchen zu einzigartigen Fotomotiven. Einige der meiner Meinung nach schönsten Orte unseres Planeten sind von dieser Straße zu erreichen.
Wir parken am „Trailhead“ (gibts dafür eine sinnvolle, deutsche Übersetzung? Startpunkt?) und wandern einen ausgewaschenen „Wash“ – ein trockenes Flussbett – entlang. Etwa eine Stunde gehen wir bis wir verschwitzt am Ziel ankommen. Insgesamt laufen wir um die 6 Stunden im „Edmaiers Secret“ Gebiet rum, leider ist das Licht nicht auf unserer Seite und wir beißen uns die Zähne aus. Es ist richtig schwer, die tausenden Details der Gegend ansprechend zu fotografieren – ein paar Bilder der einzigartigen Steinformationen und Gebilde möchte ich aber trotzdem niemanden vorenthalten.
Wir fühlen uns wie Kinder in auf einem riesigen Spielplatz. Wir springen von Stein zu stein, müssen mehrmals umkehren da die Wände manchmal unüberwindbar steil werden. Wir sehen sogar die erste Schlange des Trips, ich bin begeistert – halte aber Respektabstand. Nach einer kurzen Recherche finde ich raus: Es war eine Bullennatter. Ohne Blaulicht. Klassische Südwest-Mainstreamschlange, aber trotzdem nett, so ein Tier mal in Freiheit zu sehen.
Es wird langsam Dunkel, wir sind auf einem der höchstgelegenen Punkte der Gegend und wir verlaufen uns ein klein wenig beim Versuch, die steile Wand unverletzt runter zu steigen. Etwas panisch und Stirnlampen sei Dank schaffen wir es zurück zum „Wash“ und gehen im Dunklen durch die kalte Luft – man merkt, wie sich diese im Flussbett sammelt – zurück zum Auto. Zum Abendessen gibt es einen gigantischen Burrito bei Escobar’s Mexican Restaurant, danach wird die Dusche des Travellodge mit Wüstensand verdreckt und wir fühlen uns wieder wie Menschen…
Tag 13:
Wir sind beim Aufstehen furchtbar nervös, da wir um 9:00 Uhr bei der Wave Lottery bestellt sind. Wir frühstücken ein klein wenig und ärgern uns dabei nicht zum ersten Mal über die schrecklichen Zustände des „Buffets“. Überall Plastik und Styrophor – wir fragen uns, warum die lieber Amerikaner so stolz auf ihre Nationalparks und gleichzeitig so ignorant beim Umweltschutz sind.
Kurz vor 9 sind wir also beim Visitor Center in Kanab und warten auf das Aufrufen meines Namens. Es geht um Zutrittsberechtigungen (Permits) für 10 Personen, vor Ort sind über 170. Wir haben extra gründlich die Zähne geputzt und unseren feinsten Zwirn übergeworfen, sogar den überdimensionalen Burrito haben wir gestern Abend vollständig vertilgt – trotzdem haben wir kein Glück. Timo weint fast und hasst alle Menschen, die ein Permit gewonnen haben. Zusätzlich macht unser rechter Vorderreifen am Jeep Probleme – seit Tagen verlieren wir immer wieder verhältnismäßig viel Luft.
Wir lassen uns nicht unterkriegen und fahren nach Page. Am Weg dorthin bleiben wir nochmal beim „Paria Outpost“ stehen, dort starten normalerweise die Touren zur White Pocket. Wir haben doch noch etwas Glück – der kaputte Jeep ist nicht mehr kaputt, wir können uns der Tour morgen Nachmittag anschließen. Juchu – wir freuen uns und fahren gut gelaunt weiter nach Page.
Page ist, ähnlich wie die House Rock Valley Road, ein Ort, der einem beim Planen und Recherchieren so eines Trips so einige Male unterkommt. Es gibt dort mit dem Antilope Canyon und dem Horseshoe Bend zwei fantastische Fotospots, die uns beide schon seit Monaten rollig machen. Doch zuerst gilt es, die Zeit, die wir für die nun nicht stattfindende Wanderung zur „Wave“ eingeplant hatten, anderweitig zu nutzen.
Wir wollen in den „Waterholes Canyon“, für den man ein „Backcountry Permit“ benötigt, da er – wie auch das Monument Valley – auf Indianerland liegt. Wir suchen etwas ratlos nach dem „Büro“ der Navajos, das sich in einer kleinen, hässlichen Holzhütte versteckt. Mal wieder fühlen wir uns etwas verarscht: Man lässt hier 12$ pro Person liegen, um einen unaufgeräumten Canyon erkunden zu dürfen. Prinzipiell erwarte ich keine Putztrupps, die das letzte Sandkorn vom Canyonboden saugen – aber zumindest die Reste eines Stacheldratzauns und einer Art „kaputter Leiter“, die einem den Weg versperren, könnte man wegräumen. Gerade für Kinder oder Hunde ist das nicht ungefährlich.
Wir klettern den nicht ganz leichten Abstieg zum Canyon runter und laufen ein, zwei Stunden darin entlang.
Ich bin überglücklich, als ich eine Baby-Schlange sehe, die vermutlich die Schlucht hinuntergefallen ist. Ich werfe ihr ein Stöckchen, sie wedelt mit dem Schwanz. „Klappern“ ist passender. Süß. Hier ein 25mb großes Video zum Snake-Encounter. Der Canyon ist nett, aber natürlich kein solch ein Hingucker wie der weltbekannte Antilope Canyon, den wir morgen Besuchen werden (Spoiler!).
Es wird Zeit, das Hotel für die kommenden zwei Übernachtungen zu suchen und einzuchecken. Dachten wir zumindest. Arizona und Utah haben unterschiedliche Zeitzonen, dazu kommt die Winterzeit, die von einem der beiden Bundesstaaten ignoriert wird. Oder eben nicht. Ich weiß es bis heute nicht genau, ohne zu googeln. Jedenfalls sind wir eine Stunde vor dem Check-In beim Hotel, stehlen diesem eine halbe Kühlboxmenge Eiswürfel und entscheiden uns für einen Besuch bei Walmart. Dort gibt es Mitte Oktober bereits lustige Weihnachtsdackel für Timo und Arizona-Eistee im Angebot für unsere frisch befüllte Kühlbox. Außerdem waren wir schon mehr als 2 Tage nicht mehr bei Taco Bell – den gibt es dort auch.
Vollgefressen checken wir im Page Boy Motel ein. Keine direkte Empfehlung meinerseits, aber es ist definitiv eine der netteren Unterkünfte des Trips. Nur das WLAN lässt zu wünschen übrig, der Handyempfang in Page ist auch eher einer der zurückhaltenderen Sorte. Wir ruhen uns kurz aus und machen uns auf den Weg zum Horseshoe Bend. Was dort abgeht, lässt sich nur mit einem Wort beschreiben: Suizid!
Ein Mädel macht im Gymnastikoutfit Handstand, nur wenige Zentimeter von der Kante entfernt – für die „15 Minuten Fame“ auf Instagram, nehme ich an. Aufgescheuchte Kinder laufen ohne Aufsicht rum und Fotografen stellen ihre Stative auf Felsvorsprünge, auf die ich nichtmal auf allen Vieren kriechen würde.
Ich habe im Laufe der Zeit sogar einen Touristen verscheucht, der – nur von meiner Position gut zu sehen – auf einer fünf Zentimeter dicke Felsplatte für ein Selfie posiert hat, die etwa einen Meter über den Abgrund ragte – darunter nichts als der freie Fall, Tod und Knochenbrüche.
Der Sonnenuntergang war wie so oft wolkenlos, die ungemeine Weite der Schlucht kann man auf Fotos leider nur erahnen.
Das gute an der Sache: Wolkenloser Sonnenuntergang bedeutet klare Sicht auf die Sterne. So kommen wir bei völliger Dunkelheit wieder zurück und freuen uns über absolute Stille, nur eine kleine Gruppe Fotografen steht in sicherem Abstand zur Kante, leise plaudernd, während deren Kameras belichten. Was für eine entspannte Atmosphäre, verglichen mit dem Tumult, der sich tagsüber an der selben Position abspielt.
Mir ist es wie so oft etwas zuwider, am „Standardplatz“ zu stehen, und ich gehe übervorsichtig im Licht meiner Stirnlampe zum dem Plateau, das ich mir tagsüber schon für heute Nacht „ausgesucht“ habe. Dort stehe ich wieder mutterseelen alleine und genieße die kühle, klare Luft, während man mit bloßem Auge die Milchstraße beobachten kann – und die Fotografen, deren Taschenlampen immer wieder mal durch die Dunkelheit funkeln.
Tag 14:
Der schlaue Timo hat die erste Fototour des Tages durch den Lower Antilope Canyon gebucht, eine hervorragende Entscheidung. Anstatt mit Massen von Touristen oder anderen Fotografen durch die enge Schlucht getrieben zu werden, sind wir nur zu Viert. Die illustre Gruppe besteht aus einem gut gelaunten Guide, einem ebenso netten Inder und zwei außergewöhnlich gut aussehende Fotografen aus Europa. Fast eine Stunde lang treffen wir keine Menschenseele, die Atmosphäre zwischen den frühmorgendlich kühlen Felswänden lässt sich als Mischung aus „Massage“ und „Gottesdienst“ beschreiben – relaxt und ehrfürchtig vor diesem magischem Ort quetschen wir uns durch den Canyon, während uns der Guide Tipps gibt.
Wir müssen immer wieder Pausieren, um Busladungen Asiaten (sorry for racism – es sind ausschließlich „asiatisch aussehende Mitmenschen“) an uns vorbei drängeln zu lassen. Zückt eine/r von ihnen eine Kamera, wird der/diejenige von unserem Guide regelrecht angebrüllt – „People, move on please, go go go!“
Wir fühlen uns wie VIPs, die paar Dollar Aufpreis für die Fototour haben sich ausgezahlt. Dank des Führers erkennen wir immer wieder Strukturen, die uns sonst nie aufgefallen wären. Hier eine Schildkröte. Oder ein Wal.
Das hier nennt sich Rocky Mountain Sunrise – mit etwas Fantasie ein sehr passender Titel. Man musste für diesen Bildausschnitt die Kamera direkt an der Canyonwand im 90 Grad Winkel nach oben, gegen Himmel, ausrichten. Niemals hätten wir das selbst entdeckt…
Als wir unsere eleganten Körper durch den extrem engen Canyonausgang pressen, wie Ace Ventura aus seinem Nashorn (Klick!), warten bereits unzählige Touristen auf ihren Einstieg. Selbst die uns entgegenkommende Fotografentour besteht aus etwa 10 stativtragenden Leuten – „das wird eng für euch, da unten“ murmle ich in mich hinein und freue mich über meine Fotoausbeute.
Zum gefühlten 40. Mal müssen wir unseren Reifen aufpumpen, haben gerade noch Zeit für Taco Bell Drive-Thru und hetzen zum Paria Outpost, wo die Tour nach White Pocket starten wird.
Die beiden Guides, einer Ex-Fotograf für den National Geographic, der andere ein Ranger, pferchen uns mit vier uralten Pensionisten samt 500 Kilo an Fotoequipment und Lunchpaketen in den dahinrostenden Allradjeep. Die Fahrt dauert ein gefühltes halbes Leben und führt über tiefen Sand und endlose Schotterpisten. Die ersten paar Kilometer der Strecke hätten wir unserem Miet-Jeep noch zugetraut, beim ersten Treibsand waren wir uns aber sicher, dass wir das nicht geschafft hätten.
Vor Ort sind wir anfangs etwas „pissed“ – die beiden Führer wollen nicht, dass wir uns von der Gruppe abtrennen. So haben wir uns das nicht vorgestellt.
Das klingt jetzt eingebildet, ich weiß, schreibe trotzdem meinen Frust von der Seele:
Timo und ich wissen meist nach wenigen Minuten, ob ein Motiv, ein Ort oder ein Bildaufbau „funktioniert“ oder ob man besser weitersuchen sollte. Das ist eines der wenigen Dinge, die man sich im Laufe der Jahre aneignet. Eine Art „Gefühl“, das man erst lernen muss. Auf dieses „Talent“ sind wir stolz, man kann das nicht in einem Youtube Tutorial lernen.
Die Pensionistengruppe besitzt diese Erfahrung leider (noch) nicht. So stehen wir und warten. Bis sie es nach 20 Minuten aufgeben, bei grellster Mittagssonne Szenerie zu fotografieren, die beim derzeitigen Licht einfach „nicht funktioniert“. Das ist kein Vorwurf an die Gruppe, aber ich eine „Fototour“ buche, möchte ich mich austoben. Ich will meine eigenen Interpretationen umsetzen, mich selbst rantasten an die bunten Felsen und die Linienführung auf dem Kameradisplay perfektionieren, in diesem riesigen, real gewordenem Traum für Landschaftsfotografen.
So. Genug gejammert. Nach 45 Minuten haben wir uns mit einem Guide von der Gruppe abgekapselt, sozusagen eine „Fortgeschrittenengruppe“ gegründet, und konnten das Gebiet mehr oder weniger nach Lust und Laune erkunden. Der Ranger gab uns Tipps und suchte sogar ein paar der seltenen Wasserlöcher für uns, während wir wo anders am Fotografieren waren.
Zum Sonnenuntergang suchen wir uns diesen als Ice Cream Swirl bekannten Felsen als unser Objekt der Begierde, ich mache mein Bild und hetze in der Gegend rum, um das abendliche Licht noch etwas zu nutzen. Die Gruppe drängt schon etwas und möchte nach Hause, Timo und ich sind wiedermal etwas enttäuscht. Da der Rest der Gruppe sich altersbedingt nur noch in Zeitlupe fortbewegen kann, nutzen wir deren Arthritis schamlos aus und machen noch das eine oder andere Bild am Weg zurück zum Parkplatz.
Der Rückweg zieht sich wie Kaugummi, meine Versuche zu schlafen werden von metertiefen Schlaglöchern vereitelt. Kurz vor dem Paria Outpost, wir preschen grade die House Rock Valley Road entlang, höre ich einen Knall. Wenige Minuten süäter – die gesamten 500 Tonnen Fotoequipment musste zuvor ausgeladen werden – tauscht Mike, der Guide, einen der riesigen Reifen. Der wolkenlose Himmel bietet sich an: Ich dokumentiere die Aktion mithilfe einer Langzeitbelichtung.
Apropos Reifen – als wir unseren Jeep starten, piepst es. Die Reifendruckkontrolle lacht sich ins Fäustchen, sowas hat sie noch nie gesehen: Innerhalb eines halben Tages hat der kaputte Reifen mehr warme Luft verloren, als Donald Trump in seiner bisherigen Amtszeit von sich gegeben hat. Zum Glück hat unser Guide einen Kompressor auf seinem Quad montiert, wir pumpen den fast leeren Reifen etwas auf und schleichen zur nächsten Tankstelle nach Page, morgen lassen wir den Reifen tauschen. Gute Nacht.
Tag 15:
Wir gönnen uns etwas und schlafen heute mal aus. Nach Rücksprache mit unserer Mietwagenfirma lassen wir bei Walmart (wo sonst…) den Reifen wechseln. Währenddessen okkupieren wir das WLAN von McDonald’s – Anmelden müssen wir uns da schon lange nicht mehr, der Access Point erwartet uns bereits mit offenen Armen.
Wir fahren weiter Richtung Süden – zum Coalmine Canyon, der recht unbekannt ist. So unbekannt, dass wir ihn nicht finden. Während der Suche werden wir unweigerlich an einen Western erinnert- eine Szenerie, die ich via Panorama für die Ewigkeit festhalte.
Nachdem wir uns bei einer Feldarbeiterin samt derer Kinder erkundigt haben (deren verwirrte Blicke habe ich heute noch vor mir) stehen wir nach ein paar Minuten Feldweg vor der Schlucht.
Diese ist in der Tat ein Prachtstück. Kein Bryce Canyon von den Farben her, kein Grand Canyon von der „grande“ her – aber beeindruckend. Und wir haben sie ganz für uns alleine.
Der letzte „landschaftlich relevante“ Tourstop naht. Man merkt, dass unsere Stimmung etwas emotionaler wird, je näher wir dem Grand Canyon kommen. Für den Sonnenuntergang haben wir uns den Desert View Watchtower ausgesucht. Nicht direkt den Turm, sondern eher eine Art Vorsprung in den Canyon hinein.
Dieser ist ebenso beeindruckend wie die Größe der Pizza, die wie nach getaner Arbeit noch vernichten, aber dem Blick vom Canyonlands Nationalpark kann der Grand Canyon nicht das Wasser reichen. „Not so Grand“ Canyon, ein Panorama und eine fancy Langzeitbelichtung ist aber noch drin.
Wir übernachten im sehr feinen Grand Canyon Inn & Hotel, nur das WLAN lässt zu wünschen übrig. Zum Dritten und letzten Mal auf der Reise geben wir das folgende Ziel ins Navi ein: Las Vegas.
Tag 16:
Wir beziehen unser Zimmer im Stratosphere Hotel, somit ist der Eintritt in den gleichnamigen Turm gratis. Der Sonnenuntergang ist wirklich nett, leider wird die Aussicht von diversen Fahrgeschäften versperrt. Trotzdem ein würdiger, letzter Sonnenuntergang auf amerikanischen Boden für uns.
Die folgenden Stunden kann ich nicht mehr exakt rekonstruieren. Wir feiern ausgiebig meinen Geburtstag, ich verspiele 120 Dollar und investiere 12 Dollar in einen dreiviertel Liter „Fat Tuesday Daiquiri“ samt Extrashot. Ein wirklich lustiger, wenn auch teurer Abend – die Kopfschmerzen am Tag 17 halten sich in Grenzen, dieser besteht großteils aus Warten auf den Heimflug und der Verabschiedung von Timo, der freundlicherweise das Auto zum Flugplatz bringt. Ich langweile mich im Hotelzimmer, beobachte etwas die ankommenden Besucher im Casino und spiele am iPad, bis ich schlussendlich mit dem Shuttle zum Flughafen fahre und mich auf 11 gemütliche Stunden im Flugzeug freue.